Hintergrund
Menschen mit Fluchterfahrungen, sowohl asylberechtigte als auch subsidiär schutzberechtigte Personen und Drittstaatsangehörige, haben ein erhöhtes Risiko, Gewalt ausgesetzt zu sein oder Gewalt auszuüben. Viele haben Erfahrungen mit gewalttätigen Konflikten und traumatische Erlebnisse zu bewältigen: Traumatische Erlebnisse, die vor, während oder auch nach der Flucht im Leben hier in Österreich gemacht wurden.
Multiple Gewalterfahrungen können Menschen besonders verletzlich machen und eine große Gesamtbelastung darstellen. Zusätzlich ist es eine große Belastung, mit einer unsicheren Zukunft zu leben. Es ist herausfordernd, einen neuen Alltag in einer bislang nicht vertrauten Gesellschaft zu gestalten und gleichzeitig dort eine eigene Position zu finden. Menschen mit internationalen Familiengeschichten, sowohl asylberechtigte als auch subsidiär schutzberechtigte Personen und Drittstaatsangehörige befinden sich nicht selten im Spannungsfeld zwischen den Traditionen, dem kulturellen und sozialen Hintergrund ihrer Herkunfts-Familien und den Werten und Anforderungen der Gesellschaft, in der sie leben. Dies konfrontiert sie mit Widersprüchen, die es ihnen schwer machen, Ausgrenzung oder Arbeitslosigkeit erfolgreich und ohne Aggressionen zu bewältigen. Vor allem traditionelle Ehr-Vorstellungen können diese Widersprüche verstärken und verschiedene Gewaltformen begünstigen, die insbesondere - aber nicht nur – Mädchen* und Frauen* betreffen. Mädchen* und Frauen* werden in abhängige Positionen gedrängt (Kontrolle, Unterordnung, Zwangsheirat), während Burschen* und Männer* unter empfindlichen Druck ihrer Familien und Communities geraten.
Neben Maßnahmen für Mädchen* und Frauen*, die von Gewalt betroffen sind, bedarf es daher gleichzeitig gewaltpräventiver Programme für männliche Jugendliche und Männer*, welche die Spezifika ehrkultureller, traditionsbedingter Gewaltformen berücksichtigen. Vertreter*innen des Vereins für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark haben im Jahr 2017 gemeinsam mit Mitgliederorganisationen des Dachverbands Männerarbeit Österreich (DMÖ) die modulare Dialogreihe MEN TALK entwickelt, die darauf ausgerichtet ist, mit Männer*n in einen Dialog zu treten - zu Themen wie Umgang mit Gewalt und Emotionen, Ehrkonzepte, Gewaltschutz, Frauen*- und Kinderrechte, Geschlechtergleichstellung aber auch Sexualität und Beziehungen.
Das Projekt MEN TALK wird vom Österreichischen Integrationsfonds gefördert.
Ziel und Zielgruppe
Die Dialogreihe MEN TALK soll einerseits das Bewusstsein für gleiche Chancen und Rechte sowie für die Anerkennung gesellschaftlicher Vielfalt, andererseits die soziale Inklusion männlicher Asylberechtigter und subsidiär Schutzberechtigter und Drittstaatsangehöriger stärken und den sozialen Zusammenhalt fördern. Zusätzlich stellt diese Maßnahme auch einen wesentlichen Beitrag zur Gewaltprävention dar. Sowohl innerhalb der jeweiligen Familien als auch im Außenverhältnis.
MEN TALK als Programm zur Sensibilisierung, zur Information und zum Empowerment (gegen Unterdrückungen im Namen der „Ehre“) dient darüber hinaus dem Kontakt- und Vertrauensaufbau, um dann bei Bedarf leichter den Weg in spezifische Beratungs- und Gewaltarbeits-Settings wie finden zu können.
Mit dem Projekt MEN TALK sollen männliche Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Drittstaatsangehörige ab dem 16. Lebensjahr erreicht werden.
Ort und Abhaltungsformat
In der Regel finden die Dialogreihen in Kooperation mit beispielsweise NGOs, mit ehrenamtlichen Netzwerken oder mit Schulungsmaßnahmen statt. Die Dialogreihen können an Orten stattfinden, die den Teilnehmern* vertraut sind. Bei Bedarf können die Dialogreihen übersetzt werden (Dari/Farsi oder Arabisch).
Der zeitliche Ablauf wird mit den Kooperationspartner*innen abgestimmt – in der Regel finden die Einheiten einmal wöchentlich statt, jede Einheit besteht aus 2 Modulen zu je 120 Minuten, insgesamt dauert eine Dialogreihe vier bis sechs Wochen.
Als Gruppenleiter*innen fungieren erfahrene Mitarbeiter*innen aus dem Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark sowie Kooperationspartner*innen (z.B. Lil*, Frauenservice, Gewaltschutzzentrum, Verein Zebra, Anti-Diskriminierungsstelle). Die Rolle der Gruppenleitung besteht darin, Dialoge zu fördern, in denen die Teilnehmer* sich gegenseitig unterstützen können.
In einer dreiteiligen Struktur wird an einem Thema gearbeitet: Auf einen Informationsteil (10-15 Minuten) folgt ein Projektauftrag an die Gruppe/die einzelnen Teilnehmer*, an den die Reflexion im Dialog der Gesamtgruppe anschließt. Die Übersetzungen werden von geschulten Dolmetscher*innen übernommen. Die Teilnahme an der Dialogreihe ist kostenfrei. In den Pausen wird Verpflegung angeboten. Die Anreisekosten der Teilnehmer* können gegebenenfalls übernommen werden. Am Ende der Dialogreihe bekommen die Teilnehmer* bei einer Anwesenheit von 80% der Zeit ein Zertifikat überreicht.
© VMG-Steiermark - Institut für Männer- und Geschlechterforschung, seit 2001