Kinderschutz und gewaltpräventive Einrichtungskultur im VMG

KINDERSCHUTZKONZEPT

Der Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark (Graz/Austria) führt in vier Schwerpunktbereichen laufend Maßnahmen durch, von denen Kinder und Jugendliche direkt bzw. indirekt betroffen sind/sein können. Deshalb wurde im Jahr 2017 das vorliegende Kinderschutzkonzept (child protection policy) für den Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark (VMG) entwickelt und im Jahr 2018 eingesetzt. Im Jahr 2020 wurde das Kinderschutzkonzept erweitert und an die Standards der EU angepasst.[1] Im Jahr 2024 wurden diesem Konzept zusätzlich relevante Haltungen und Handlungspraxen hinzugefügt, welche die Grundlagen einer gewaltpräventiven Einrichtungskultur im VMG darstellen.

In der Männerberatung/Fachstelle für Gewaltarbeit besteht unter Bezugnahme auf das Bundesgesetz über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 – B-KJHG 2013) §37 eine Meldepflicht bei Kindeswohlgefährdung an die Kinder- und Jugendhilfe, durch die Kinder und Jugendliche unmittelbar vor Gewalt in der Familie geschützt werden sollen. In der Fachstelle für Gewaltarbeit wird das Arbeitsprinzip der Opferschutzorientierung umgesetzt, d.h. dass alle Interventionen dazu dienen, Betroffene von Gewalt zu schützen, insbesondere durch Vernetzung mit anderen Einrichtungen und Behörden, soweit dies mit bestehenden Gesetzen vereinbar ist. Die Perspektive auf die Betroffenen (Partner*innen, Kinder und Jugendliche, männliche und weibliche Gewaltbetroffene in verschiedenen Zusammenhängen) wird von den fallführenden Case-Manager*innen in die Arbeit eingebracht. Zusätzlich steht in der Beratungsarbeit mit Männern im Falle von Scheidung/Trennung häufig die Frage im Vordergrund, wie es gelingen kann, einen guten Kontakt zu Kindern/Jugendlichen auch nach Scheidung/Trennung herzustellen bzw. fortzuführen.

Projektbezogen führt das Institut für Männer- und Geschlechterforschung immer wieder Forschungs- und Bildungsmaßnahmen durch (z.B. Workshops mit Kindern/Jugendlichen, Fokusgruppengespräche, Befragungen), die sich an Kinder und Jugendliche richten.

In der Fachstelle für Burschenarbeit werden laufend Workshops mit Burschen im Rahmen der geschlechtersensiblen Bildungsarbeit (Fokus: Sexualität, Burschen in Care Berufe, Gewaltprävention, etc.) durchgeführt. Als Teil des Netzwerks Sexuelle Bildung Steiermark (http://netzwerk-sexuelle-bildung-steiermark.at) arbeitet die Fachstelle für Burschenarbeit im Bereich der Sexuellen Bildung nach den gemeinsam festgelegten Qualitätsprinzipien. Diese orientieren sich an den Standards für Sexualaufklärung der *WHO*, der *BZgA* (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) sowie am Rahmen des österreichischen *Grundsatzerlasses Sexualpädagogik* aus dem Jahr 2015, insbesondere:

  • Achtung der Menschenrechte und der Vielfalt
  • Gleichstellung der Geschlechter sowie
  • das Recht jedes Menschen ohne Zwang, Gewalt oder Diskriminierung ein befriedigendes, sicheres und lustvolles Sexualleben anzustreben.

Der Verein für Männer- und Geschlechterthemen Steiermark hat im Jahr 2017 die vorliegende Kinderschutzerklärung (child protection policy) zur Gewährleistung des Kinderschutzes entwickelt, im Jahr 2018 eingesetzt und in den Jahren 2020 und 2024 erweitert. 
Im Rahmen der Vereinstätigkeiten werden folgende Sicherungsmaßnahmen getroffen:

 

Grundlegende Haltungen und Vorgangsweisen / Policy

  • Der VMG will mithilfe wissensbasierter psychosozialer und edukativer Angebote u.a. für männliche Jugendliche (und andere Geschlechter) dazu beitragen, dass deren Handlungsspielräume erweitert und deren Lebensqualität verbessert werden. 
  • Dabei verpflichtet sich der VMG zum Schutz aller Kinder, unabhängig von ihren Fähigkeiten, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihren physischen und psychischen Fähigkeiten, ihrem Glauben, ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität und ihrer Kultur.
  • Mitarbeiter*innen des VMG repräsentieren den VMG innerhalb und außerhalb der Organisation. Deshalb sollen die Mitarbeiter*innen während und außerhalb der Arbeit Engagement zeigen, um Schaden von Kindern abzuwenden.
  • Werden den Mitarbeiter*innen im Rahmen der Durchführung von Veranstaltungen oder der Forschungsarbeit Beratungsbedarfe von Kindern, Jugendlichen, Eltern oder Fachkräften bekannt, so sind diese über mögliche Hilfsangebote zu informieren und gegebenenfalls bei der Kontaktaufnahme zu unterstützen. Dies geschieht direkt durch die Mitarbeiter*innen. Falls keine geeigneteren Hilfsangebote in erreichbarer Nähe empfohlen werden können, wird auf jeweils geeignete regionale oder bundesweit erreichbare Kinder-, Jugend- oder Elterntelefone hingewiesen und die entsprechende Kontaktdaten mitgeteilt. Fachkräfte werden auf die geltenden Verfahrensvorschriften im Kinderschutz hingewiesen und bei Bedarf über die jeweils zuständigen Kinderschutztelefone informiert.
  • Bei Grenzüberschreitungen und Unzufriedenheit mit der zielgruppenspezifischen Arbeit des VMG steht den Klient*innen die Kinderschutzbeauftragte als zuständige Beschwerdestelle des VMG zur Verfügung. Die Kinderschutzbeauftragte kann jederzeit per Email unter scambore@genderforschung.at erreicht werden.

Unterzeichnung der Kinderschutzerklärung VMG

Der Geschäftsführer des VMG Jürgen Hochsam sowie die Geschäftsleiterin Forschung Elli Scambor unterzeichnen die Kinderschutzerklärung des VMG in ihrer Funktion und im Namen aller Vorstandsmitglieder des VMG.

Die nächste Überprüfung der aktuellen Richtlinie erfolgt im Rahmen der nächsten LQW Qualitätstestierung im Jahr 2027/28.

Bekanntmachung der Kinderschutzerklärung VMG 

Die Kinderschutzerklärung VMG wird allen Mitarbeiter*innen im Intranet sowie auf der Website des VMG zur Verfügung gestellt.

 

Menschen /People

  • Für alle Mitarbeiter*innen und assoziierte Workshop-Referent*innen im VMG liegen Nachweis darüber vor, dass keine Verurteilungen vorliegen. Die Strafregisterbescheinigung gibt Auskunft darüber, ob im Strafregister Verurteilungen gegen Personen vorliegen. 
  • Dem Schutzauftrag für die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen kommt der VMG durch die Auswahl und Qualifizierung der Mitarbeiter*innen, Freien Dienstnehmer*innen und Honorarkräfte sowie durch die Ausgestaltung der beraterischen und pädagogischen Angebote nach (z.B. OTA Opferschutzorientierte Täterarbeit in der Fachstelle für Gewaltarbeit). Als NGO hat der VMG einen eigenständigen Schutzauftrag für die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen. 
  • Alle Mitarbeiter*innen sind in der psychosozialen, pädagogischen oder wissenschaftlichen Arbeit mit Kindern/Jugendlichen zu einem respektvollen und achtsamen Umgang und zur Einhaltung der persönlichen Grenzen von Kindern und Jugendlichen verpflichtet. In der wissenschaftlichen Forschung mit Kindern und Jugendlichen sind diese dem Stand ihrer Entwicklung gemäß in den Forschungsprozess einzubeziehen, um ihnen eine informierte Entscheidung über die Teilnahme zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Aufklärung über ihre Rechte auf Information über und Abbruch der Teilnahme.
  • Alle Mitarbeiter*innen werden durch Unterzeichnung einer Verpflichtungserklärung auf die Schweigepflicht und den Datenschutz verpflichtet. In Projekten, die Befragungen von Kindern und Jugendlichen beinhalten, sind diese bzw. die Erziehungsberechtigten über die Regeln zum Datenschutz zu informieren und ist von ihnen bzw. den Erziehungsberechtigten eine Einwilligungserklärung einzuholen. Dasselbe gilt für die Befragung erwachsener Personen. Die Projektmitarbeiter*innen werden verpflichtet, die sichere Anonymisierung der Befragungspersonen durch getrennte Aufbewahrung von Kontakt- und Befragungsdaten und die Anonymisierung der Interviewtranskripte vor der weiteren Bearbeitung zu gewährleisten und Auflagen zur Aufbewahrung von Kontaktdaten, zur Datenweitergabekontrolle und zur Datenlöschung zu beachten.
  • Alle Mitarbeiter*innen stellen sicher, dass die Ziele und die geplante Gestaltung der von ihnen durchgeführten Bildungsmaßnahmen sowie etwaige während der Durchführung zu treffende pädagogische Entscheidungen für die davon betroffenen Kinder und Jugendlichen transparent und nachvollziehbar sind und Interessen und Wünsche der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen gehört und in die Gestaltung der Maßnahmen einbezogen werden und somit weitgehende Partizipation ermöglicht wird. Grenzüberschreitungen können angesprochen und ohne Angst vor emotionalen oder anderen Sanktionen geäußert werden. Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Mitarbeiter*innen werden über ihre Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt, wie sie sich bei subjektiv empfundenen Grenzüberschreitungen zur Wehr setzen können.
  • Bei Grenzüberschreitungen und Unzufriedenheiten steht die Kinderschutzbeauftragte als zuständige Beschwerdestelle des VMG zur Verfügung. 
  • In allen vier Bereichen des VMG bieten die jeweiligen Geschäftsleiter*innen Raum, um über Angelegenheiten des Kinderschutzes zu sprechen. Allen Mitarbeiter*innen wurde darüber hinaus kommuniziert, dass die VMG Kinderschutzbeauftragte jederzeit in Sachen Kinderschutz angesprochen werden kann.

 

Verfahren /Procedures

  • Mitarbeiter*innen des VMG sind in kinderschutzbezogenen Netzwerken (z.B. Steirisches Netzwerk gegen sexualisierte Gewalt, Plattform gegen Gewalt in der Familie, Steirisches Fachstellennetzwerk für Jugendarbeit und Jugendpolitik, Netzwerk Sexuelle Bildung Steiermark) integriert, in welchen wiederkehrend qualitätssichernde Maßnahmen zur Gewährleistung des Kinderschutzes vorgestellt und diskutiert werden.
  • Im Bereich der Arbeit mit Klient*innen, insb. in der Gewaltarbeit, sind die Mitarbeitenden des VMG in Netzwerke eingebunden, in denen Kinderschutz-bezogene qualitätssichernde Maßnahmen weiter-/entwickelt und von den Mitgliedern implementiert werden (DVOTA, Work With Perpetrators – European Network). 
  • In den Veranstaltungen des VMG werden, sofern dies thematisch geboten ist, regelmäßig für die Teilnehmenden erreichbare Beratungsstellen vorgestellt und auf ihre Angebote und Erreichbarkeit hingewiesen.
  • Werden dem VMG im Rahmen seiner Leistungen gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bekannt, so nimmt er Maßnahmen zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos vor (4-Augen-Prinzip; Beratungsfall wird im Team oder mit Leitung besprochen, dokumentiert, dann Entscheidung, wie weiter vorgegangen wird). Wenn eine Kindeswohlgefährdung durch die eigenen Handlungen nicht abgewehrt werden kann (Einschätzung), dann ist die Meldung an das Jugendamt verpflichtend. Werden dem VMG im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls bekannt, so ist in Absprache mit den jeweils kooperierenden Trägern der Kinder- und Jugendhilfe vorzugehen.
  • Risiken und die Art und Weise, wie Risiken vermieden werden können, sind ein wichtiger Teil der Arbeit im VMG. Je mehr wir über Risiken sprechen und sie erkennen, desto mehr können wir über ihre Vermeidung nachdenken. Deshalb finden Risikobewertungen in der Arbeit im VMG auf unterschiedlichen Ebenen statt: Abschätzung des Gewalt-Gefährdungsrisikos für Kinder in der OTA, Risikobewertung im Rahmen von Bildungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche (Safe Space- und Brave Space Konzepte), Umsetzung von Strategien zur Risikominimierung und –vermeidung in Workshops mit Kindern und Jugendlichen, Beratung und Kommunikation (E-Mail, telefonische Beratung, niedrigschwellige Zugänge für Kinder und Jugendliche).
  • Bezüglich der Anzeigepflicht für Gesundheitsberufe bei begründetem Verdacht, dass Kinder oder Jugendliche misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht werden oder worden sind, gehen wir laut Empfehlungen des Gesundheitsministeriums vor ("Information zum Gewaltschutzgesetz 2019. Verschwiegenheits-, Mitteilungs- und Anzeigepflichten nach der Novelle des Psychotherapiegesetzes, BGBl. I Nr. 105/2019", analog für weitere Gesundheitsberufe).

 

GRUNDLAGEN DER GEWALTPRÄVENTIVEN EINRICHTUNGSKULTUR IM VMG

Dem VMG ist die Umsetzung einer gewaltpräventiven Einrichtungskultur wichtig. Dies bedeutet, dass wir uns an folgenden Ansätzen und Handlungspraxen orientieren: 

  • Gewaltprävention im VMG umsetzen setzt eine Verständigung darüber voraus, was verhindert werden sollte. Es bedarf einer kontinuierlichen gemeinsamen Verständigung über aktuelle Erkenntnisse im Feld der Männer* und Geschlechterarbeit sowie über unterschiedliche Formen von geschlechterbezogener Gewalt und einer systematischen Differenzierung von Gewaltindikatoren und deren Relevanz in der Institution. 
  • Überforderung laufend im Fokus behalten und wirksam dagegen arbeiten. Psychosoziale Arbeit birgt ein nicht zu unterschätzendes Potential für Überforderung in der Praxis, das Mitarbeitende als auch den gesamten Rahmen pädagogischen Handelns umfasst. Es ist daher notwendig, diesem Überforderungspotential laufend durch Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen zu begegnen. Neben adäquat ausgebildeten Fachkräften in allen Bereichen, Supervision und Intervision, sensibel gesteuertem Aufnahmeprozedere von Mitarbeitenden und einem partizipativen Arbeitszugang und partizipativer Ausgestaltung der örtlichen Gegebenheiten gehört auch die Umsetzung eines Systems der Mitarbeiter*innenbeteiligung dazu, an dessen Institutionalisierung seit dem Jahr 2023 gearbeitet wird. Zudem werden Mitarbeitende in laufenden Entwicklungsprozessen unterstützt, insbesondere bei Weiterbildung zu einschlägigen Themen und Unterstützung bei der Übernahme von mehr Verantwortung. Um Überforderungen im Rahmen von Offenlegungssituationen von (sexualisierter) Gewalt entgegenzuwirken und einen professionellen, betroffenensensiblen Umgang zu gewährleisten, liegen für Workshops mit Kindern und Jugendlichen evidenzbasiert entwickelte Gesprächs- und Handlungsleifaden für unterschiedliche pädagogische Situationen vor. Qualifizierte externe Prozess-Beratungen insbesondere der Geschäftsleitungen unterstützen diesen Prozess, um blinde Flecken sichtbar zu machen und komplexe Prozesse bewältigen zu können.
  • Im VMG kommt es - wie in jeder Einrichtung - zu Diskriminierungen. Gemeinsam lernen bedeutet, auf diese hinzuweisen. Der VMG folgt dabei dem Calling In Konzept (siehe dazu auch den TED-Talk mit Loretta Ross: https://www.ted.com/talks/loretta_j_ross_don_t_call_people_out_call_them_in?subtitle=en&lng=de&geo=de), das darauf ausgerichtet ist, solidarisch und diskriminierungskritisch zu handeln und dabei keine hegemonialen Strukturen zu reproduzieren, die Gruppen spalten und Mitarbeitende gegeneinander ausspielen. Einfühlungsvermögen und Geduld sind unerlässlich, ebenso die Einsicht, dass Fehler bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich sind. Absichten können gut gemeint sein und dennoch diskriminierende Wirkung entfalten. Die Auswirkungen einer diskriminierenden Handlung sind unabhängig von der Handlungsintention spürbar. Calling in bedeutet, den diskriminierenden Charakter von Handlungen sichtbar zu machen und damit gleichzeitig einen Lernraum für Reflexion und Verhaltensänderung zu eröffnen. Menschen, die ihr Handeln ändern wollen, sollten bei dieser Veränderung unterstützt werden. Die Reaktionen auf Diskriminierungen soll in der Förderung von Lernprozessen bestehen, nicht in Skandalisierung.
  • Die Auseinandersetzung mit Gewalt, Machbarkeit und Grenzen. Nicht jede Form der Gewalt kann verhindert werden. Eine 0-Toleranz-Politik von Gewalt verhindert diese nicht sondern trägt dazu bei, dass sie im Verborgenen passiert. Die Auseinandersetzung damit, dass Gewalt passieren kann, ist gleichzeitig ein Indikator für eine Culture of Care, eine Kultur des Hinsehens. In einer Kultur des Hinsehens muss die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit anerkannt werden, woraus folgt, dass kritische Situationen nicht verleugnet, sondern als solche transparent gemacht und bearbeitet werden. Entsprechend stellt sich der VMG dem Thema Gewalt nicht nur in der konkreten psychosozialen Arbeit und wissenschaftlichen Forschung, sondern nimmt auch problematische und destruktive Auseinandersetzungen unter Mitarbeitenden ernst, bietet Räume zum Reden an und entwickelt Maßnahmen im Umgang damit (z.B. 6-Augen Gespräche). Kritische Situationen im VMG werden als institutionelle Herausforderungen betrachtet, denen Weiterentwicklungspotentiale innewohnen. Im Falle von gewaltakzeptierenden Verhaltensweisen von Mitarbeitenden werden entsprechende Maßnahmen für die gewaltausübende Person sowie Unterstützungsangebote auch für die gewaltbetroffene Personen entlang der rechtlichen Rahmenbedingungen im Geschäftsleitungsteam (Mehraugenprinzip) entwickelt, umgesetzt und evaluiert.
  • Einrichtungskulturen, die den Anspruch haben, der Gewalt adäquat zu begegnen, müssen sich darüber verständigen, in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen Grenzen gesetzt werden müssen. Das betrifft sowohl individuelle Grenzen (z.B. Consent in der Anerkennung von Grenzen), als auch institutionelle Grenzen, die der VMG in Bezug auf seine Systemumwelten (Frauenhaus, Gewaltschutzzentren, Polizei, Kinderschutzzentren, etc.) setzt. Im VMG findet eine Verständigung über das Setzen von Grenzen statt, einer gemeinsamen Aushandlung und einer Anerkennung derselben, damit diese auch wirksam sein können, denn Grenzen können das Gefühl vermitteln, eingesperrt bzw. eingeengt zu sein, sie können aber auch Schutz vermitteln. Die Möglichkeiten der Partizipation und Verständigung über Grenzen haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie sie auf Personen wirken. Ein Beispiel ist die Hausordnung in den Beratungsstellen und das Gewaltpräventionstool in der Klientenarbeit, mit dem die Mitarbeiter*innen den Klient*innen Grenzen setzen können (z.B. Ausschluss aus der Intervention, Rückmeldung über Ausschluss an die überweisenden Stellen).
  • Einrichtungen wie der VMG sind von Machtasymmetrien geprägt. Die damit in Zusammenhang stehenden Praxen können unterschiedliche Wirkungen entfalten: Sie können destruktive Wirkung entfalten (z.B. Gewalt) oder Akteur*innen konstruktive Tools (z.B. Beschwerdemöglichkeiten) in die Hand geben. Der VMG ist sich der Machtasymmetrien bewusst und kommuniziert diese möglichst transparent. Macht wird dabei als Gestaltungsressource verstanden, die denjenigen Akteur*innen, die auch Verantwortung für die Organisation tragen, zur Verfügung stehen muss, damit sie ihre Aufgaben und Verantwortung wahrnehmen können. Möglichkeiten der Partizipation aller Mitarbeitenden sind auf deren Ermächtigung ausgerichtet, nicht auf Entmächtigung, wobei die formelle und transparente hierarchische Organisation die Grundlage für die notwendige, festgeschriebene und reflektierbare Machtasymmetrie darstellt. In Teamsitzungen, Inter- und Supervisionen in allen Bereichen der Organisation werden relevante Aspekte (z.B. allfällige Diskrepanzen zwischen formeller und informeller Macht) thematisiert.
  • Gemeinsames Nachdenken ist wichtig, wenn psychosoziales Handeln im Fokus steht, aber auch in den unterstützenden Bereichen (Organisation und Verwaltung). Es braucht Räume zur Auseinandersetzung über pädagogische Arbeit, Arbeit mit Klient*innen und Support-Prozesse, in denen auch kritische Situationen reflektiert und Potentiale der Weiterentwicklung diskutiert werden können. Dies ist insbesondere relevant, wenn Fragen der Prävention von Gewalt im Fokus stehen, Fragen, die nicht einfach beiläufig beantwortet werden können. Dafür werden Ressourcen (Zeit & Raum) zur Verfügung gestellt, beispielsweise im Rahmen regelmäßiger (projektbezogener) Teamsitzungen in den verschiedenen Fachbereichen sowie Referent*innen-Treffen für Workshopleitende (Fachstelle für Burschenarbeit). Zudem besteht für alle pädagogisch tätigen Mitarbeiter*innen und Referent*innen eine supervisorische Anbindung.
  • Dort, wo mit Menschen gearbeitet wird, muss auch behutsam mit Fragen der Entwicklung derselben umgegangen werden. Entwicklungssensibilität ist sowohl durch das Verstehen von Prozessen in der Vergangenheit (und deren Wirkung auf Gegenwart und Zukunft) gekennzeichnet, als auch durch einen Blick nach vorne im Sinne einer Orientierung an Fragen, die künftig von Relevanz sein werden. Dieser Prozess findet im VMG über kontinuierliche/s Qualitätsmonitoring und -testierung statt. Entwicklungssensibilität im VMG inkludiert alle Mitarbeitenden, aber auch Zielgruppen sowie Fördergeber*innen, Netzwerkpartner*innen und Kooperationspartner*innen in den VMG Umwelten. Wenn wir in der Lage sind, Menschen und Institutionen in Entwicklung zu begreifen, schaffen wir damit Räume für Entwicklungen, „die möglichst frei von Gewalt sein können.“ (Caspari 2021, Gewaltpräventive Einrichtungskulturen, S. 325)
  • Entwicklungssensibilität bedeutet auch, Lernräume und Schutzräume für Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Brave Spaces und Safe Spaces sind Lernräume, in denen unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Das Hauptziel von Safe Spaces ist es, marginalisierten Personen einen schützenden Rahmen zu bieten, um sich mit der eigenen Position auseinander zu setzen und zu organisieren, jenseits der Einflüsse von Mitgliedern einer dominanten Gruppe. Brave Spaces fokussieren hingegen auf Lernerfahrungen in gemischten Gruppen und müssen von Anleitenden so gestaltet werden, dass die Teilnehmenden sich auch mit unangenehmen Inhalten, mit berührenden Erfahrungen auseinandersetzen können und voneinander Lernen in Unterschiedlichkeit möglich wird. Gemein ist beiden Konzepten eine kritische Analyse hegemonialer Strukturen in der Gesellschaft, die darin resultieren, dass Menschen unterschiedlich positioniert sind und unterschiedliche Erfahrungen machen.
  • Diversity diskutieren und leben: Die Anerkennung einer Kultur des Miteinanders bedeutet auch, Menschen unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, sozialer oder ethnischer Herkunft, Weltanschauung, Lebensalter, persönlicher Fähigkeiten oder anderer Merkmale zu achten. Diese Unterschiede sollten nicht nur berücksichtigt, sondern offen diskutiert werden, da Gewalterfahrungen häufig auch z.B. mit Geschlechterfragen oder Diskriminierung verknüpft sind. Im Zuge der halbjährlichen bereichsübergreifenden Klausuren für alle Mitarbeitenden des VMG werden regelmäßig interaktive Lern-Settings (Workshops, World Cafe…) zur Sensibilsierung im Hinblick auf diese intersektionalen Zusammenhänge organisiert.

 

Rechenschaftspflicht /Accountability

  • Die Organisation überwacht und überprüft ihre Sicherungsmaßnahmen (LQW). Die Verantwortung dafür liegt beim Geschäftsleitungsteam, die Verantwortung für die Koordination des Geschäftsleitungsteams bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe (inkl. allfälliger Delegierungen) liegt bei der Geschäftsführung. 
  • Die Umsetzung dieses Konzepts zum Kinderschutz und zur gewaltpräventiven Einrichtungskultur und dort festgelegten Verfahren wird laufend überprüft und im Rahmen der nächsten LQW Qualitätstestierung im Jahr 2027/28 wird darüber berichtet.
  • Fortschritte, Leistungen und Erfahrungen werden der externen und unabhängigen LQW Qualitätstestierungsstelle berichtet und in den Jahresbericht 2028 des VMG aufgenommen.
  • Die Ergebnisse fließen in die Überprüfung und Überarbeitung dieses Konzepts ein.

Dieses Konzept zum Kinderschutz und zur gewaltpräventiven Einrichtungskultur des VMG wurde durch die Geschäftsführung und die Kinderschutzbeauftragte überprüft und wird von beiden unterzeichnet.

 

Graz, 26.08.2024                   Mag. Jürgen Hochsam                    Mag.a Elli Scambor


 


[1] https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/support/faq/12803;type=1;categories=;programme=REC;actions=;keyword=REC-RCHI-PROF-AG-2020